#014 - Voll verstrahlt!

Das geht nicht!

Das ist unprofessionell!

Das macht keinen Sinn!

Unter 1000 Litern kannste vergessen!


...das ist so eine feine Auswahl der Kommentare die man unter Produktfragen oder in Werkzeug-Foren und dergleichen liest, wenn es mal wieder einer wagt zu fragen ob man denn mit Gerät XYZ zuhause sandstrahlen kann.

Wenn man die ganzen hübschen, verrotteten, rostigen, querlackierten und sehr schmierigen Treckerteile da so liegen sieht und dann der Blick auf die Drahtbürste fällt, kommt unweigerlich der Wunsch nach Erleichterung hoch.

Alles weg und neu kaufen - ist ne nette Möglichkeit wird aber landläufig nicht als tatsächliche Restauration angesehen.

Alle Teile in die Kiste werfen und zu 'nem Sandstrahlbetrieb fahren, da alles auskippen und mit den Worten 'Habt viel Spaß - bis nächste Woche' ein Bierchen trinken gehen. Dies wird üblicherweise ebenso als unsportliche Variante angesehen.

Die höchste Anerkennung bekommt man natürlich bei 100% Handarbeit - aber ganz ehrlich: mit soviel Anerkennung könnte ich gar nicht umgehen - ich will ja nicht noch großkotziger werden!

Also denke ich über ein Zwischending nach: Geschickter Werkzeugeinsatz und gegebenenfalls manuelle Nacharbeit.
Ergo: Selbst Sandstrahlen!


Information

...wie immer muss ich mich erst mal ausgiebig informieren. Irgendwas kaufen und gucken ob's geht ist nicht meine Art - dann werd ich unruhig...
Wie geht Sandstrahlen, welches Material verteilt man da in der Gegend, was geht ab, was bleibt wo's ist. Videos aus der Tube und erklärende Texte bei den Strahlmittellieferanten helfen ein rundes Bild zu bekommen.
Unweigerlich kommt man zu der entscheidenden Information: Man braucht einen Kompressor!
Krass!
Also suchen wir einen...

Kompressor

Wenn man so die gängigen Quellen für diese Geräte besucht und die Bewertungen und Kommentare so liest, kommt man schnell zum Ergebnis: 500 Liter Volumen + über 1000 Liter Luftabgabeleistung mindestens = ~1500€ nur für den Kompressor.
Natürlich ist es dann immer noch fraglich ob das funktioniert!
Wie so ziemlich bei jedem Thema "selbst lackieren", "selbst schweißen", "selbst Abi machen", was-auch-immer, ist es auch hier so: Es kommt drauf an was man will - was erwartet man...

Ich möchte: Kleine fummlige Teile und Ecken vom Rost und vielleicht altem Lack befreien ohne mir die Finger zu brechen. Ich restauriere diesen Bautz nicht um mich zu nerven, sondern weil mir sowas Spaß macht! und das soll auch so bleiben!
Es reicht mir also, wenn das Sandstrahlen grundsätzlich funktioniert - ich muss nicht wirklich ununterbrochen arbeiten - es ist nicht schlimm, wenn das Ding nach 20 Sekunden wieder Druck aufbauen muss. Die paar großen Teile werden eh mit der Topfbürste gemacht, das geht schnell und problemlos und muss nicht gestrahlt werden.

Beim Arbeiten mit dem Kompressor kommt es auf die Menge der abgegebenen Luft an - der mögliche Druck ist bei so ziemlich allen Geräten ähnlich und dann bestimmt die Größe des Behälters wie lange man eben Luft entnehmen kann, also die Zeit wie lange man ununterbrochen arbeiten kann, wenn der Motor nicht läuft. Dazu kommt dann der verwendete Motor, bzw. die Anzahl Pumpen/Zylinder, denn das bestimmt quasi wie lange es dauert bis der Druckbehälter wieder Druck aufgebaut hat und es weiter gehen kann.

Meine Suche nach dem für mich passenden Modell hat mich dann zu zwei 50 Liter Geräten geführt, von denen dann eines nicht lieferbar und das andere in einem Baumarkt (OMG! Baumarktware!!!) im Angebot war.
230 € sind ok wie ich finde.

Ja, das sieht deutlich nach Productplacement aus, aber bei der für diesen Kompressor verwendeten Farbe macht es nicht all zuviel Sinn den Hersteller-/Produktnamen zu schwärzen ;)

Das ist das Gerät was für mich funktioniert!

Anti-Sandsturm

Zusammen mit dem Kompressor lag dann auf einmal in meinem Einkaufwagen auch noch eine Becher-Sandstrahlpistole zusammen mit ner Packung Strahlmittel.
Nach dem kurzen Zusammenbau und ein wenig Einlaufen-lassen mußte ich den Kram natürlich gleich ausprobieren.
Und siehe da! Das Stückchen verrostetes Restmetall wird im Null-komma-nix von seiner Patina befreit - der Kompressor macht was er soll, ist mörder laut und kann ansonsten locker mit meiner Arbeitsgeschwindigkeit mithalten!
Bingo!

Ich möchte bei allem Enthusiasmus die Nebenwirkungen nicht verschweigen!
Der Hof vor der Werkstatt (immerhin war ich so schlau das nicht drinnen zu machen!) sieht aus wie der Strand von Teneriffa und ich habe Tage später immer noch lustige schwarze Körnchen in den Haaren.
Klar hatte ich Schutzzeug an, aber zum Probieren zieh ich doch keinen Anzug mit Mütze an!
Das muss anders!

Ab in die Kiste!

Der Verbrauch von Strahlsand (ist natürlich kein richtiger Sand - der ist böööse!) ist natürlich enorm und wenn man sich so anschaut wie der dann so rumliegt und eigentlich aussieht wie vorher, liegt der Gedanke des Recyclings nahe.
Zudem ist das ne ganz schöne Sauerei, also gehört das Spiel eingesperrt!
Strahlkisten sind gar nicht mal so teuer und ich hab echt überlegt, ob ich einfach eine Fertige kaufen sollte, aber im Endeffekt hab ich mich dagegen entschieden, weil ich eine recht große Kiste haben wollte und ein passendes Untergestell (Unterbau von einem Aquarium - 120 x 60 x 80 cm) noch rumstand.
Also wieder in den Baumarkt und Holz kaufen - ein paar Platten, Konstruktionsholz, Winkel, Schrauben - für ~50€ - das Ganze in handliche Stücke gesägt und zusammen geschraubt - eine etwas festere Folie als Fenster (billig, also tauschbar) - alles fein in das Gestell einfügen und fertig ist der Gerät!


Der Boden der Kiste hat eine V-Form, damit sich das Strahlzeug in der Mitte sammelt und dort wieder angesaugt werden kann.
Ich habe mich gegen die üblichen Schweißergummikondomhandschuhe entschieden und stattdessen im 1€-Laden ne Regenjacke gekauft und die Ärmel operativ entfernt - so kann ich meine normalen Arbeitshandschuhe verwenden (und auch wechseln!) und es ist trotzdem nahezu luftdicht.
Alles ist mit Silikon abgedichtet und die 'Tür' hat eine Schaumstoffdichtung bekommen.

Luft die reingeht muss auch wieder raus...

Ein PVC Rohr leitet die sehr staubige Luft ab in einen Eimer der mit Wasser gefüllt ist - zwischendurch macht's dann immer mal 'Blub' wenn der Druck die Abluft ins Wasser drückt - der Staub bleibt dann in der Brühe :)






Zusammen mit nem 25kg Sack Strahlmittel hab ich mir eine Strahlpistole bestellt (nich dass der Herr vom Paketdienst zu dick wäre - aber ein bisschen Training hat noch niemandem geschadet!) - eine Pistole die genau dafür gedacht ist!
Diese Strahlpistole funktioniert allerdings sowas von überhaupt nicht - ich führe das auf den zu geringen Durchmesser der Zuführung zurück und habe daher einfach den Becher von meiner Becherpistole abgeschraubt und auf das Saugrohr ein Stück Gartenschlauch gestopft - nicht schön aber es funktioniert grossartig!

Der Schlauch ist unten in der Kiste auf den Boden geklammert und saugt brav alles an was da rumliegt. Wenn er mal verstopft, dann halte ich einfach mal kurz mit der Hand die Pistole vorne zu und der Luftdruck pustet den Schlauch wieder komplett frei.

Das Gitter zur Ablage der Teile ist übrigens ein Rankgitter aus der Gartenabteilung ;)
(für die kleineren Strahlopfer gibt's noch ein Brettchen)

Momentan beleuchtet ein 150 Watt Halogenstrahler mein Werkeln - das ist allerdings eher was für den Winter, denn das wird ganz schön warm in der Kiste - wenn ich mal über ne billige LED-Einheit stolpere wird das noch umgebastelt.

Zum Beispiel

hier mal ein paar der Teile die durch die Kiste gegangen sind...

(wenn man vorsichtig ist, kann man den Lack eben auch dranlassen - die Bremsgestänge zeigen den Vorher-Nachher-Vergleich)

(Man sieht schön wie das Strahlen den Rost aus den Poren holt - so muss man nicht das ganze Material abschleifen nur um an den Rost zu kommen)



Ecken, Kanten, Löcher, Rillen - alles strahlend rein ;)





Für diese Teile ist selber Sandstrahlen eine tolle Sache - und es funktioniert!
Mit der Kiste kann man das sogar quasi im Sonntagsanzug machen.
Mein Kompressor steht nebenan in der Werkstatt und ich habe mir Druckluftschlauch zu meiner Kiste durch die Wand gelegt, so dass ich dort auch nicht vom lärmenden Gerät genervt werde.

Fazit

Es ist unprofessionell - ja, das ist Hobby-Level
Es macht keinen Sinn - ja, es macht nicht für alles Sinn - man muss wissen was geht und was nicht
Unter 1000 Litern kannste vergessen - nein, definitiv kann man gut mit meiner Konfiguration arbeiten
Das geht nicht! - Und wie das geht!

Schon mal versucht sowas hier auf anderem Weg zu entrosten???


Ich finde es ist ganz gut geworden und das waren 10 Minuten 'Arbeit'!

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