#015 - Ausgebremst

Es ist nicht dass ich es nicht erwartet hätte...

Die Bremsen sind fest - ich erwähnte es bereits das ein oder andere Mal.
Nach dem Abbauen der Bremstrommeln (siehe auch "#13 - Trommelwirbel"), bot sich mir ja folgendes Bild:



Weil man auf dem Bild so schlecht erkennen kann was da los ist - hier mal ein Ausschnitt aus der Zeichnung in der ETL:





Zustandsanalyse

Der Bremshebel (13) ist fest - da bewegt sich grad mal gar nix.
Korrekt und vollständig muss es heißen:
Der Bremshebel (13) ist auf dem Bolzen (10) festgerostet - Der Bolzen 10 ist im Achstrichter festgerostet - Der Gewindestift (19) ist ebenfalls im Achstrichter festgerostet.
Anmerkung: die Zeichnung in der ETL stimmt nicht ganz mit der Realität überein, da der Bremshebel (13) umgekehrt auf dem Bolzen (10) sitzt. Das ist vermutlich so gebaut, damit man auch garantiert keinen Abzieher der Welt ansetzen kann!

Was tun?

Mehr hilft mehr...
Erst mal den Laden leerkaufen und alles wo Rostlöser draufsteht mitnehmen.
Zuhause dann die Dosen auf die beiden Achstrichter verteilt leer machen
Einwirken lassen...
Hier die dazu passende Außenansicht - nach dem "WD40/Diesel/Superspezialrostlöser-Massaker":

3 Tage später

Gleicher Zustand - nur halt alles voller Rostlöser-Suppe.
Nix bewegt sich.


Plan B

Gewindestift (19) lösen!
Der HSSD (zur Erinnerung: Handschlagschraubendreher) kommt wieder zum Einsatz.
Natürlich ist der Gewindestift mit dem damals üblichen Schlitz versehen - also Schlitzbit eingesetzt und ganz vorsichtig den dicksten Hammer zur Hand nehmen der rumliegt.
Ansetzen und dann liebevoll draufkloppen.
Nix tut sich.
Ein Schlag ist kein Schlag - nochmal druff...
Knack
Es hat sich bewegt!
...nur halt nicht der Gewindestift, sondern die gehärtete Spitze des Schrauberbits. Die hat sich nämlich vom Rest des Bits verabschiedet und beschlossen, dass sie ihr weiteres Leben mit dem Gewindestift (19) verbringen will.
Nun haben wir also nicht nur einen festgerosten Stift - er ist auch noch durch ein Stück gehärteten Stahl gegen weitere Angriffe geschützt.
Großartig!

Plan C

Angestauter Frust muss raus => Hammer!
Leichte Schläge auf den Kopf erhöhen das Bremsvermögen. Zärtliche Schläge mit dem Fäustel liebkosen unter lieblichem Ohrengekingel die frech hervorstehende Spitze des Bremshebels (13).
...und er bewegt sich doch
Bloß was bewegt sich da?
Natürlich bewegt sich nicht der Bremshebel auf dem Bolzen, wie es sein sollte - nein - es bewegt sich der Bolzen im Achstrichter. Egal, wo Bewegung ist ist Hoffnung.
Wir dengeln den Hebel ein paar mal hin und her, aber leider wird das nicht irgendwie leichter und wer will schon immer mit dem Hammer bremsen. So kann das nicht bleiben.

Plan D

Mit ist eh von dem ganzen Gehämmere warm geworden - jetzt kommt es auch nicht mehr drauf an:
Brenner raus - das Teil heiß machen.
Zahlreiche Dinge auf der Welt dehnen sich aus bei Hitze. Das gilt zum Beispiel für Metall und wenn ich mich recht erinnere anscheinend auch im Urlaub für viele Leute am Strand.
Fackel an und auf den Bremshebel gehalten. Bauartbedingt ist es nicht ganz einfach nur den Hebel zu erhitzen - blöderweise wird der Bolzen dabei auf warm und dehnt sich natürlich auch aus. Also hat man nur nen kurzen Moment, wo der Bremshebel sich schon ausdehnt, der Bolzen das aber noch nicht mitbekommen hat. Leider ist das Zeug ja so fest aneinander gewuchert, dass es sich quasi wie ein Teil verhält.
Das Ergebnis ist also:
Nix bewegt sich.

Plan D.2

Der Bolzen wird also mit heiß...
Ein weitere Besuch in der Sprühdosenabteilung meines Komischeflüssigkeitenladens zaubert mir eine Kältespraydose in die Werkstatt.
Netterweise ist der Bolzen auf dem ersten Zentimeter hohl (hat sogar ein Gewinde drin - k.A. wozu das wohl gut sein soll).
Ich wende also Plan D erneut an und erhitze den Kram bis kurz vor Glühwürmchen, um dann den Bolzen von innen mit dem Eisspray zwangs-zu-erfrieren (...wie immer man das schreibt).
Ich fand die Idee eigentlich ganz gut - ist auch ne super Lösung - leider nur nicht für mein Problem.
Nix bewegt sich.

Plan E

Mit gehn die Pläne aus.
Wenn ich den Gewindestift (19) rausbekommen würde, der den Bolzen (10) hält, könnte ich den Bolzen vielleicht ein wenig aus dem Achstrichter ziehen und dann vielleicht einen Abzieher ansetzen um den Bremshebel (13) loszubekommen.
Bloß steckt A. da noch die blöde Bitspitze drin und B. habe ich keinen Bohrturm um den Stift da gerade und senkrecht auszubohren.
Lösen wir zunächst einmal Teilproblem A:
Womit bekommst man etwas gehärtetes klein: Mit noch Härterem!
Widia wäre vermutlich das vielversprechenste Material - habbischabanisch. Bohrer aus dem Zeug sind ziemlich teuer also suche ich mal nach ner Alternative.
Die Suche bringt mich schließlich zu Fräseinsätzen für den Dremel, die tatsächlich so hart sein sollen - und was sagt mein Werkstattbestand dazu: Habbisch!
Eigentlich sollen die Dinger nur aus HSS sein, aber mit Hilfe dieser Dinger gibt doch tatsächlich die festgeballerte Bitspitze auf und löst sich in Wohlgefallen auf!
Yay!



Ok, bleibt Teilproblem B.
Da mir eh grad die Pläne ausgegangen sind, greife ich zum letzten Mittel des Trekerrestaurators: Dem Besuch beim LAMA seines Vertrauens!
Der hat ja so 'nen feinen Bohrständer und erklärt sich natürlich auch bereit die beiden Stifts aus den Achstrichtern zu bohren. Er würde sogar versuchen die Bremshebel zu lösen.
Sehr fein eigentlich und ich ziehe dieses Angebot ernsthaft in Betracht (Ich war erstmal nur zum Fragen da, weil die Achsteile so sauschwer sind und ich sie nicht umsonst verladen wollte).

...allerdings bleibt der fade Beigeschmack der Unsportlichkeit - wenn ich nachher zugeben muss an der schwersten Stelle des Wiederaufbaus gekniffen zu haben.

Pause

Nicht nur zum Nachdenken - gibt es an dieser Stelle eine kleine Pause, in der ich in Ruhe überlege wie das hier weitergehen soll...
...und jeden zweiten Tag gehe ich mit WD40 bewaffnet zu den Achsteilen...

Der Tag X

Ok, der Beschluss lautet wie folgt:
Ich bohre die Gewindestifte raus und wenn es dann bis Mittags nicht klappt, dann kommt das Zeug zum LAMA.
Körner - Hammer - Akkuschrauber - Bohrer... die Waffen sind gewählt
Und tatsächlich bringe ich ein einigermaßen gerades Bohrloch zustande und nach dem Vorbohren kann ich mit dem zweiten Bohrer den Gewindestift als entfernt betrachten.
Mit dem Gewindeschneider und viel Schneidöl den Rest entfernen und fertig.
Das macht Mut!
Der Versuch mit dem Hammer den Bremshebel zu bewegen zeigt, dass sich da noch nichts getan hat - der Gewindestift hat den Bolzen also nicht seitlich festgeklemmt.
Nun heißt es Opfer bringen:
Zwei Holzbeitel werden am Schleifbock zugeschliffen, so dass sie sehr dünn werden und nur ganz langsam dicker werden.
Die beiden Holzbeitel werden nun beidseitig neben dem Bremshebel durch die Gehäuseöffnung eingehämmert, um den Hebel mit seinem Bolzen aus dem Achstrichter zu lösen.
Und siehe da! Es bewegt sich!
Tatsächlich kommt der Bolzen ganz langsam aus seinem Gehäuse.
Es folgen 2 Stunden Hin- und Hergekloppe und da ich nun auch durch das Loch des Gewindestifts Schmiermittel dazugeben kann, bewegt sich dann irgendwann der Bolzen wie von selbst in seinem Gehäuse.

Ich treffe eine Entscheidung:
Der Bremshebel bewegt sich - es ist nicht ganz so wie der Hersteller sich das mal gedacht hat, aber er bewegt sich.
Ich schneide mir eine normale Sechskant-Schraube auf die passende Länge und verpasse ihr am Schleifbock eine Spitze, die in die Nut des Bolzens passt.
In das Gewinde des alten Gewindestifts im Achstrichter eingedreht, arretiert die neue Schraube den Bolzen gerade so, dass er sich nicht herausschieben kann, aber dennoch so frei ist, dass er sich gut drehen kann.
Es dreht sich nun also nicht mehr der Bremshebel auf dem Bolzen, sondern der Bolzen in seinem Lager im Achstrichter.
Ich weiß, dass das nicht optimal ist, aber die Stabilität ist sicher ausreichend und der höhere Verschleiß wird sicher in Rest des Daseins meines Bautz nicht relevant werden.
Und sollte ich irgendwann mal über Austauschteile (Bremshebel und Bolzen) fallen, dann kann ich das leicht wieder umbauen.

Insgesamt sind bestimmt 20 Stunden Arbeit in das Lösen der Bremshebel gegangen, aber die Genugtuung die sich einstellt, wenn es dann doch klappt war es allemal wert!

(Es ist immer gut einen Plan B zu haben! ...und C und D und D.2 und E und X...)

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